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21.07.2023

BEFIT-Initiative: Die Unternehmensbesteuerung im 21. Jahrhundert

Kritik am Initiativbericht der Pandora Papers

Marcus von Goldacker

DB: Herr von Goldacker, welche Maßnahmen sieht die BEFIT-Initiative der EU vor?

von Goldacker: Bei „BEFIT“ („Business in Europe Framework for Income Taxation“) handelt es sich um einen Vorschlag der Europäischen Kommission für eine gemeinsame europäische Steuerbemessungsgrundlage für multinationale Unternehmensgruppen.

Die Vorläuferversion von BEFIT, „Gemeinsame Konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage („GKKB“)“, wurde aufgrund einer fehlenden Einigung der EU-Mitgliedsstaaten eingestellt.

Erstmals ist das Schlagwort „BEFIT“ in dem Dokument der EU-Kommission „Business Taxation for the 21st Century“ (COM(2021) 251) vom 18. Mai 2021 aufgetaucht. In diesem Dokument wird eine Harmonisierung der Bemessungsgrundlage mit formelhafter Aufteilung des Gewinns angestrebt. Als Ziele sollen steuerliche Hürden im Binnenmarkt beseitigt werden und weiterhin das Steueraufkommen der Mitgliedstaaten geschützt werden.

Im Rahmen von BEFIT soll die Gewinnaufteilung anhand eines zu definierenden Allokationsschlüssels auf die einzelnen Unternehmensteile und somit Länder erfolgen. Die zugeteilten Gewinnanteile werden weiterhin den einzelnen nationalen Steuersätzen unterliegen.

Dabei ist BEFIT auf internationale Unternehmensgruppen grundsätzlich ab einem Schwellenwert des konsolidierten Gesamtumsatzes von 750 Mio. € anwendbar. Es zeichnet sich aber ab, dass die derzeitigen Verrechnungspreisgrundsätze (auf OECD-Level) ggf. in einer vereinfachten Art und Weise weiterhin für Transaktionen mit verbundenen Unternehmen anwendbar sein sollen, die entweder nicht Teil der konsolidierten Gruppe sind oder nicht innerhalb der EU liegen. In einem weiteren Schritt wurde von der EU-Kommission am 26. Oktober 2022 ein Konsultationspapier vorgelegt, zu dem die interessierte Öffentlichkeit Stellung nehmen konnte.

DB: Das Vorhaben der EU-Kommission, innerhalb der nächsten zwei Jahre einerseits ein einheitliches KöSt-System im Binnenmarkt zu schaffen und andererseits die internationale Gewinnaufteilung völlig neu zu regeln, ist sehr ambitioniert. Halten Sie das Ziel für realisierbar?

von Goldacker: Aus meiner Sicht handelt es sich bei BEFIT in der Tat um ein ambitioniertes Vorhaben der EU-Kommission. Vor dem Hintergrund, dass die Vorgängervision GKKB gescheitert ist, bleibt abzuwarten, ob sich BEFIT schlussendlich realisieren lässt.

DB: Wie soll danach die Ermittlung der Bemessungsgrundlage aussehen?

von Goldacker: Hinsichtlich der Ermittlung der Bemessungsgrundlage werden zwei Alternativen diskutiert:

a)       Anwendung von begrenzten steuerlichen Anpassungen auf die in den Jahresabschlüssen (nach einem in der EU zugelassenen Rechnungslegungsstandard) ausgewiesenen Erträge vs.

b)      Entwicklung eines umfassenden Körperschaftsteuersystems mit detaillierten Regelungen zur Gewinnermittlung.

Die zwei Alternativen im Rahmen der Aufteilung der steuerlichen Bemessungsgrundlage sind

a)       Formelbasierte Aufteilung basierend auf den Faktoren Sachanlagen, Arbeit, Umsatz vs.

b)      zusätzliche Berücksichtigung des Faktors immaterieller Vermögensgegenstände.

Für die Gewinnzuordnung an nahestehende Unternehmen außerhalb der Gruppe existierten die folgenden zwei Alternativen:

a)       Vereinfachtes Konzept für das Verrechnungspreisverfahren auf der Grundlage von makro-ökonomischen Branchen-Benchmarks vs.

b)      Beibehaltung der gegenwärtigen Verrechnungspreisvorschriften.

DB: Und was ist mit der Berücksichtigung von Verlusten?

von Goldacker: Die Behandlung von Verlusten innerhalb der BEFIT-Regelungen ist noch nicht final geklärt.

Die Behandlung von Verlusten könnte jedoch wie folgt hergeleitet werden: Bei BEFIT handelt es sich um eine konsolidierte Steuerbemessungsgrundlage. Dem Sinn und Zweck einer solchen Konsolidierung folgend, müssten somit Gewinne aus dem einen EU-Land mit Verlusten in einem anderen EU-Land ausgeglichen werden können. Folglich würde implizit eine Verlustverrechnung über die Grenze eingeführt werden, die bisher in Deutschland nur sehr schwer möglich ist.

Folglich würde aus einer solchen Behandlung (Verlustverrechnung über die Grenze) eine (zumindest kurzfristige) Subsidiarisierung von Verlust-Ländern entstehen. Dies natürlich nur unter der Voraussetzung, dass das nach der Verlustverrechnung verbleibende positive Einkommen nach den o.g. regulären Schlüsseln zuzuordnen ist.

DB: Wie viel zusätzlicher Aufwand für Offenlegungs- und Berichtspflichten kommt auf Unternehmen zu?

von Goldacker: Nach Einführung der BEFIT-Regelungen kommt es darauf an, ob weiterhin eine Pflicht für die Erstellung einer Steuerbilanz besteht.

Keine Pflicht für die Erstellung einer Steuerbilanz: Kein zusätzlicher Aufwand erwartbar

Bei einer solchen Regelung ist jedoch dann ungeklärt, auf welcher Basis latente Steuern im Jahresabschluss zu berechnen wären, da – nach der bisherigen Systematik – die Berechnung von latenten Steuern das Vorhandensein einer Steuerbilanz voraussetzt.    

Pflicht für die Erstellung einer Steuerbilanz: Zusätzlicher Aufwand ist erwartbar

DB: Wie wird der Anwendungsbereich aussehen? Welche Unternehmen sind betroffen?

von Goldacker: BEFIT fokussiert sich auf multinationale Unternehmen mit einem Umsatz >= 750 Mio. Euro. Für Unternehmen, die diesen Schwellenwert nicht überschreiten, ist die Möglichkeit der optionalen Anwendung vorgesehen.

Beabsichtigt ist, dass der verwendete Begriff der „Unternehmensgruppe“ sich dabei an der in der Pillar 2-Initiative verwendeten Definition von „Unternehmensgruppe“ ausrichten wird.

DB: Bis wann können wir mit einem Richtlinienentwurf rechnen?

von Goldacker: Bisher ist nicht ersichtlich, bis wann ein Richtlinienentwurf erwartet werden kann. Die Rückmeldung der EU-Kommission, d.h. die Veröffentlichung eines zusammenfassenden Berichts und eine Übersicht mit einer Zusammenfassung aller Ergebnisse der Konsultation, ist für das 3. Quartal 2023 vorgesehen.

DB: Denken Sie, dass damit das Ziel verwirklicht werden kann, die Kosten steuerlicher Rechtsbefolgung grenzüberschreitend tätiger Unternehmen zu reduzieren?

von Goldacker: Multinationale Unternehmensgruppen haben derzeit schon viele Befolgungskosten zu beachten, dabei ist insbesondere an die IFRS-Bilanz (bei Börsennotierung), HGB-Bilanz und Steuerbilanz sowie an die (zukünftige) Pillar-2-Berechnung zu denken.

Weiterhin sind im Hinblick auf eine Reduktion der Befolgungskosten und der angestrebten Steigerung der Effizienz des europäischen Steuersystems Wechselwirkungen mit bereits implementierten (Missbrauchsvermeidungs-) Vorschriften wie z.B. der Anti-Tax Avoidance Directive (ATAD), der Directive on Administrative Cooperation (DAC) oder der EU-Richtlinie 2021/2101 im Hinblick auf die Offenlegung von Ertragsteuerinformationen durch bestimmte Unternehmen und Zweigniederlassungen („CbCR“) zu beachten.

Die genannten Regelungen führen bereits zu einer erhöhten Komplexität der jeweiligen nationalen Steuersysteme und damit zu hohen Befolgungskosten aufseiten der Steuerpflichtigen. Eine Umsetzung der BEFIT-Initiative könnte, je nach Ausgestaltung, noch zu einer Erhöhung dieser Befolgungskosten führen.

DB: Vielen Dank für das Interview!

Das Interview führte Viola C. Didier, RES JURA Redaktionsbüro


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