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23.01.2024

Mangelhafte Kassenführung: Schätzungen durch das Finanzamt

Ist die Kassenführung eines Betriebes mangelhaft, so hat das Finanzamt eine Schätzungsbefugnis. Allerdings muss es eine geeignete Schätzungsmethode wählen und schließlich muss das Schätzungsergebnis plausibel sein. Der BFH hat bereits 2015 Grundsätze für ordnungsmäßige Schätzungen aufgestellt.

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Landet ein Fall nach einer Betriebsprüfung beim Finanzgericht, geht es dabei häufig um sog. bargeldintensive Betriebe. Das sind Betriebe, die den überwiegenden Teil ihrer Einnahmen bar vereinnahmen. Diese Betriebe stehen im besonderen Fokus der Finanzverwaltung.

Bereits 1966 hat sich der Bundesfinanzhof (BFH-Urteil vom 12.05.1966 – IV 472/60, BFHE 86 S. 118) mit der Frage beschäftigt, welche Aufzeichnungen ein Kaufmann für eine ordnungsgemäße Kassenführung führen muss und was die Finanzverwaltung nicht verlangen kann. Mit der Zeit sind die gesetzlichen Rahmenbedingungen und Verpflichtungen für Gewerbetreibende deutlich verschärft worden. Wer eine Registrierkasse nutzen möchte, hat dabei zahlreiche Aspekte zu beachten und eine Vielzahl von Unterlagen aufzubewahren. Auch das Führen einer sog. offenen Ladenkasse – auch als Schubladenkasse bekannt – ist mit erheblichen formellen Voraussetzungen belegt. Eine Nichtbeachtung der gesetzlichen Vorgaben kann im schlimmsten Fall zu empfindlichen Nachzahlungen führen, denn eine nicht ordnungsgemäße Kassenführung kann eine sog. Schätzungsbefugnis des Finanzamtes auslösen.

Grundsätze für ordnungsmäßige Schätzungen

Mit einem Urteil aus dem Jahr 2015 (BFH-Urteil vom 23.03.2015 – X R 20/13, BStBl. II 2015 S. 743) hat der BFH einige Grundsätze für ordnungsmäßige Schätzungen aufgestellt. Erforderlich ist danach eine dreistufige Prüfung. Zunächst muss es dem Grunde nach eine Schätzungsbefugnis des Finanzamts geben, dann muss eine geeignete Schätzungsmethode gewählt werden und schließlich muss das Schätzungsergebnis plausibel sein.

Das Finanzamt kann nicht nach Gutdünken schätzen, denn nach § 158 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) sind Buchführung und Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen grundsätzlich der Besteuerung zugrunde zu legen. Dies gilt allerdings nicht, wenn hier Fehler vorliegen. Danach wird das Finanzamt daher zuerst suchen. Eine ordnungsgemäße Begründung der Schätzungsbefugnis setzt die Benennung der verletzten Rechtsnorm, die Angabe der Tatsachen, aus denen die Verletzung der Rechtsnorm folgt und die Gewichtung des Buchführungsmangels unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalles voraus. Bei der Überprüfung, ob die Buchführung fehlerhaft ist, wird zwischen materiellen (z.B. wenn Buchungen fehlen) und formellen Mängeln unterschieden.

Höhe der Schätzung oft streitig

Häufiger als die Schätzungsbefugnis gibt die Höhe der Schätzung Anlass zur Klage, wobei der Streit meist schon bei der Wahl einer geeigneten Schätzungsmethode anfängt. Dabei muss aber festgehalten werden, dass eine Schätzung nicht den tatsächlichen Sachverhalt abbilden wird und auch nicht abbilden kann – sonst wäre es ja keine Schätzung. Das Wesen der Schätzung besteht in Wahrscheinlichkeitsüberlegungen. Ziel soll es dabei sein, anhand der vorhandenen Anhaltspunkte den Sachverhalt so zu ermitteln, dass die gefundenen Besteuerungsgrundlagen die größtmögliche Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit für sich haben. Daher sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind (§ 162 Abs. 1 Satz 2 AO).

Erlösnachkalkulation als Standardmethode

Das Finanzamt kann sich verschiedener Möglichkeiten bedienen, um die Hinzuschätzung zu ermitteln. Eine Methode zur Überprüfung der Vollständigkeit der Einnahmen ist die Erlösnachkalkulation. Diese Art der Hinzuschätzung wird häufig bei Gastronomiebetrieben, aber auch im Dienstleistungsgewerbe (z.B. Handwerksbetriebe und Taxiunternehmen) angewendet. Der BFH hat sich schon mehrfach dazu geäußert, wie eine ordnungsgemäße Erlösnachkalkulation beschaffen sein muss. Bei einer sog. Ausbeutekalkulation in einem Gastronomiebetrieb erfasst der Prüfer z.B. den gesamten Wareneinkauf eines Kalenderjahres und ermittelt unter Berücksichtigung der Speise- und Getränkekarte einen möglichen Verkaufserlös – den sog. kalkulatorischen Umsatz (vgl. BFH-Urteil vom 17.11.1981 – VIII R 174/77, BStBl. 1982 II S. 430).

Für ein möglichst genaues Ergebnis ist der Prüfer dabei auf die Mitwirkung des Betriebsinhabers oder der Betriebsinhaberin angewiesen, die in der Regel am besten über Betriebsabläufe, Rezepturen und betriebsspezifische Besonderheiten Auskunft geben können. Sie sind gemäß § 200 Abs. 1 AO zur Mitwirkung bei der Feststellung der Sachverhalte verpflichtet.

Mitwirkungspflichten spielen eine große Rolle

Wird gegen die Mitwirkungspflichten verstoßen, so mindert sich die Sachaufklärungspflicht der Finanzbehörde. Daraus folgt, dass das Finanzamt bei einer fehlenden Mitwirkung auf Erfahrungswerte aus vergleichbaren Betrieben zurückgreifen kann. Dabei liegt es in der Natur der Sache, dass daraus erhebliche Abweichungen zu dem tatsächlichen Sachverhalt resultieren können, da es sich um statistische Durchschnittwerte handelt. Hierzu können u.a. die Höhe des Eigenverbrauchs, Angaben über die Höhe von Schwund (z.B. Schankverluste, Parierverluste), Verderb, Diebstahl von Waren oder aber die Höhe der Abgabe von Waren an das Personal und an Familienangehörige gehören. Bei diesen Beispielen handelt es sich um Waren, die nicht in den Verkauf gelangt sind und die daher auch im Rahmen einer Ausbeutekalkulation unberücksichtigt zu bleiben haben.

In diesem Zusammenhang kann nicht genug betont werden, dass entsprechende Aufzeichnungen bereits in den geprüften Jahren zu führen sind, denn Einwendungen, mit denen „unübliche“ Abschläge geltend gemacht werden, sind durch geeignete Einzelaufzeichnungen glaubhaft zu machen. Eine nachträgliche Erstellung solcher Aufzeichnungen, die im Finanzgerichtsverfahren teilweise 10 Jahre später vorgelegt werden, sind i.d.R. weniger glaubhaft als solche, die zeitnah im Betrieb geführt werden und bei Beginn der Betriebsprüfung dem Prüfer übergeben werden.

Kalkulation nach Anteilen

Auch die Kalkulation nach Anteilen ist eine bedeutsame Kalkulationsmethode zur Ermittlung einer möglichst wirklichkeitsnahen Hinzuschätzung, die angesichts zunehmend zur Verfügung stehender Kasseneinzeldaten immer mehr an Bedeutung gewinnt. Diese Kalkulationsmethode – sie ist auch als 30/70-Methode bekannt – stellt eine Variante der Ausbeutekalkulation dar, bei der nur die Getränke auskalkuliert werden. Ansonsten wird auf die betriebsinternen Daten aufgebaut. Der Gedanke hierbei ist, dass das Verhältnis zwischen verzehrten Speisen und Getränken nur geringen Schwankungen unterliegt, da die Gäste typischerweise im Durchschnitt zu jeder Speise eine bestimmte Menge an Getränken zu sich nehmen. Dies rechtfertigt es, aus der Höhe der kalkulierten Getränkeumsätze auf die Höhe der Speiseumsätze zu schließen, ohne dass diese gesondert anhand des Wareneinkaufs kalkuliert werden. Das Verhältnis der Getränke zu den Speisen und die Verhältnisse der verkauften Getränke wird dabei den Kasseneinzeldaten entnommen.

Die Geldverkehrsrechnung

Schlussendlich ist noch die Geldverkehrsrechnung als bekannte Schätzungsmethode zu nennen. Diese Art der Verprobung, von der es zahlreiche Varianten gibt (z.B. Gesamtgeldverkehrsrechnung, private Geldverkehrsrechnung, Bargeldverkehrsrechnung), basiert auf dem Grundgedanken, dass ein Steuerpflichtiger nicht mehr Geld ausgeben kann, als er eingenommen hat. Die Besonderheit bei dieser Methode ist, dass auch der private Bereich des Betriebsinhabers oder der Betriebsinhaberin durch das Finanzamt betrachtet wird. Unter bestimmten Voraussetzungen kann das Finanzamt zur Erstellung der Geldverkehrsrechnung damit auch auf private Unterlagen und private Bankauszüge zugreifen, wenn es für eine Aufklärung des Sachverhalts notwendig ist. Das Niedersächsische Landesamt für Steuern bietet auf seiner Homepage zahlreiche Merkblätter und Informationsmaterialien zu den gesetzlichen Anforderungen bei einer Kassenführung an, die hier abrufbar sind.


Nds. Finanzgericht vom 17.01.2024 / RES JURA Redaktionsbüro

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