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02.05.2023

Musterklagen zur Grundsteuer: Ist das Bundesmodell verfassungswidrig?

Kritik am Initiativbericht der Pandora Papers

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Das Grundsteuergesetz des Bundes ist verfassungswidrig – zu diesem Ergebnis kommt das Rechtsgutachten von Prof. Dr. Gregor Kirchhof, das der Verfassungsrechtler im Auftrag des Bundes der Steuerzahler Deutschland sowie Haus & Grund Deutschland angefertigt hat.

Das Rechtsgutachten dient nun als Grundlage für die anvisierten Musterklagen der beiden Verbände gegen das Bundesmodell, das in elf Ländern gilt. Bei der Vorstellung des Gutachtens verwiesen BdSt-Präsident Reiner Holznagel und Haus & Grund-Präsident Dr. Kai H. Warnecke auf derzeit sechs geplante Musterprozesse in Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Sachsen und zwei in Nordrhein-Westfalen. „Es ist offensichtlich, dass die neue Grundsteuer so nicht funktioniert und am Ende zu deutlichen Mehrbelastungen führt“, begründet Holznagel das juristische Engagement.

Laut Gutachten bestehen bereits Probleme, wie der Bund seine Gesetzgebungskompetenz genutzt hat. Der Bund ging von Kompetenzschranken aus, die nach der Verfassungsreform im Herbst 2019 gar nicht mehr bestanden. Daher hätte er nicht so stark an seinem alten Grundsteuergesetz festhalten dürfen. „Ein erheblicher kompetenzrechtlicher Konstruktionsfehler“, betont Prof. Dr. Kirchhof. Daneben gibt es weitere entscheidende Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit:

1. Bewertung orientiert sich zu sehr an der Einkommensteuer

Fakt: Beim Bundesmodell orientiert sich die Grundsteuer an dem Wert von Grund und Boden. Damit greift das Bundesmodell strukturell in den Bereich der Vermögen- und Einkommensteuer ein.

Kritik: Der Bund schafft kein eigenes Bewertungssystem für die Grundsteuer, obwohl das Bundesverfassungsgericht ein solches System ausdrücklich verlangt hat. Und: Wenn der Bund die Bemessung der Grundsteuer an den Verkehrswerten und damit an möglichen Verkaufserlösen ausrichtet, rückt er die Steuerbemessung in die Nähe der Einkommensteuer, obwohl sich die Einkommen- und die Grundsteuer – von der Verfassung her – unterscheiden müssen.

2. Bodenrichtwerte sind nicht vergleichbar

Fakt: Die Bodenrichtwerte sind wenig vergleichbar. Beispiel Berlin: Die begehrte Wohnlage Wannsee hatte zum 01.01.2022 einen Bodenrichtwert von 1.500. In der weniger attraktiven Lage Neukölln ist der Wert gut doppelt so hoch: 3.200.

Kritik: Die Bodenrichtwerte weisen „systematische Bewertungslücken“ auf. Die strikte Anwendung der Bodenrichtwerte stellt einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz nach Artikel 3 GG dar.

3. Pauschalierungen verstoßen gegen das Grundgesetz

Fakt: Das Bundesmodell greift auf sehr viele Parameter zurück: Im Rahmen der pauschalen Nettokaltmieten müssen die Gebäude-Art, Wohnflächen, Baujahr, Mietniveau-Stufen (und Abschläge hiervon), Bewirtschaftungskosten, Liegenschaftszinssatz, Restnutzungsdauer und der abgezinste Bodenwert berücksichtigt werden.

Kritik: Der Bund hat eine äußerst komplexe Bewertung entwickelt, die im Massen-Verfahren nur schwer anwendbar ist. Manchmal sind die Parameter kompliziert zu ermitteln (Brutto-Grundfläche), andere genutzte Kriterien sind realitätsfern und deshalb gleichheitswidrig (pauschale Nettokaltmieten, Bodenwert). Fazit: Das Recht ist nun deshalb so kompliziert, weil der Bund Kompetenzschranken eingehalten hat, die nach der Verfassungsreform im Jahr 2019 nicht mehr bestanden. Somit belastet das Bundesrecht die vielen Grundsteuerpflichtigen – ohne Grund – mit zu aufwändigen Mitwirkungspflichten. Damit werden die Grundrechte verletzt.

4. Individuelle Umstände werden nicht berücksichtigt

Fakt: Baulasten, Denkmalschutz-Auflagen, Immissionen, Baumängel oder ein besonders guter Erhaltungszustand: Solche „individuellen öffentlich-rechtlichen Merkmale“ sowie „individuellen privatrechtlichen Vereinbarungen und Belastungen“ werden bei der Bewertung der Grundstücke nicht berücksichtigt. Damit werden maßgebliche Parameter gleichheitswidrig außer Acht gelassen.

Kritik: Der grundlegende Fehler des Bundesmodells liegt darin, den Grund der Belastung nicht erkennbar zu regeln und zu versuchen, den Wert von Grund und Boden grob zu ermitteln. Doch Immobilienwerte müssen entweder anhand zahlreicher Kriterien genau bewertet oder in einfachen, gleichheitsgerechten Pauschalierungen steuerlich bemessen werden. Das Bundesgesetz wählt aber einen verfassungswidrigen Mittelweg.

5. Steuerlast steht noch gar nicht fest

Fakt: Wie sehr die Grundstückseigentümer tatsächlich belastet werden, steht erst dann fest, wenn die Gemeinden über die Hebesätze entschieden haben. Dann werden die meisten Grundlagen-Bescheide aber schon bestandskräftig sein.

Kritik: Es droht eine Rechtsschutzlücke. Dennoch ist schon jetzt klar: Die Bewertung nach dem Bundesmodell verursacht strukturell eine mehr als doppelt so hohe finanzielle Belastung der Betroffenen im Vergleich zu den einfacheren Modellen in Bayern, Hamburg, Hessen und Niedersachsen.

Fazit

Die Länder sollten sich für ein Grundsteuersystem der Länder Bayern, Hamburg, Hessen oder Niedersachsen entscheiden. Die notwendigen Daten sind vorhanden, der Vollzug ist weitgehend vorbereitet. Das zu komplizierte und intransparente Bundesgesetz würde durch klare und einfach anzuwendende Landesgesetze ersetzt. Alle Betroffenen würden deutlich entlastet – die Finanzverwaltung, die Gerichte, die Steuerberater und die Steuerzahler.


BdSt vom 18.04.2023 / Viola C. Didier, RES JURA Redaktionsbüro

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